VON BÄUMEN UND TRÄUMEN

Viele alte Kulturen kennen den Weltenbaum in ihren Schöpfungsmythen. Bei den Kelten hieß dieser Baum Yggdrasil, die Weltesche. Sein Stamm ist die Achse der Welt, seine Krone trägt den Himmel. Er ist ein Ort tiefster Mystik und Innenschau. Odin erkannte die Bedeutung der Runen, am Weltenbaum hängend. In Märchen begegnet uns der Weltenbaum als hoher oder hohler Baum. Schamanische Kulturen kennen den Weltenbaum auch als Pforte in die andere Welt. Reist man nach oben in die Krone, gelangt man in die Oberwelt, nach unten entlang der Wurzeln in die Unterwelt. Diese schamanische Reise ist eine Art Wachtrance und sieht von außen wie ein Schlaf aus, weswegen in Bäumen so oft geschlafen wird:

„Brüderchen und Schwesterchen“ suchen Schutz in einem hohlen Baum und fallen in tiefen Schlaf. „Allerleirauh“ schläft vertrauensvoll und geborgen im Weltenbaum. In "Die Alte im Wald" findet die Heldin in einem Baum sogar ein Bett, "legte sich und schlief ein." Sie alle reisen in die andere Dimension und träumen den Traum der Anderswelt. Auch das etwas drollige Märchen von der Bohnenranke bezeichnet den Weltenbaum. Die Ranke wächst unendlich in den Himmel, und wer an ihr hinaufklettert, erhascht einen Blick in die schamanische Oberwelt. In „Die sechs Schwäne“ bringt die Schwester Jahre auf dem Weltenbaum zu und näht wundersame Hemden für ihre Brüder. Wie auf einer Antenne sitzend, hat sie da oben sicher beste Verbindung zur Anderswelt!                     

Auch Hollywood hat den Weltenbaum längst entdeckt: In dem Film "Avatar" dreht sich das Geschehen um einen riesigen Baum, in dem das Volk der Na´vis lebt und dessen Wurzeln ein seltenes Metall bergen. Fällt der Baum, bedeutet dies das Ende allen Lebens. Die Hopi-Indianer wussten dies schon in ihren Prophezeiungen.

©Roman Söllner

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